Gedankengänge beim Schälen der Kartoffeln - OM online

2022-11-07 17:14:12 By : Ms. Sandy Song

Kolumne: Notizen aus dem wahren Leben – Die meditative Tätigkeit gibt Raum zum Nachdenken. Da fällt auf, dass das Wissen über die Lebensmittel und die Versorgung damit zunehmend verloren geht.

„Holst Du die Kartoffeln?“ Die beste Ehefrau von allen fragt so lieblich, dass ich dahinschmelze. „Natürlich, ich schäle sie sogar!“ Wieder ein Punkt für mich und ich gestehe, dass das Kartoffelschälen zwar nicht zu meinen Kernkompetenzen gehört, ich im Laufe der Jahre aber gelernt habe, beim Schälprozess den Abfall zu minimieren. Und: Die Tätigkeit hat durchaus einen meditativen Charakter. Während sich die Schalen quasi automatisch im Wertstoffbehälter anhäuften, schwenken die Gedanken zurück in die Frühzeiten des Kartoffelanbaus. Zumindest in meine Frühzeiten, auf die ich wieder stieß, als ich im Lohner Industriemuseum die aktuelle Ausstellung über die 50er und 60 Jahre besuchte. Heute kaufen wir ja zumeist die Erdfrüchte im Supermarkt oder holen sie aus irgendeinem Kartoffelcontainer, in dem es nach dem Einwurf einiger Münzen gruselig rumpelt und der dann aus seinem Metallmaul ein Netz mit den begehrten Knollen ausspuckt. Wer nicht weiß, wie diese Erdäpfel heranwachsen, könnte den Eindruck bekommen, sie werden von fröhlichen osteuropäischen Helferinnen im Containerinneren aus einem essbaren Material zusammengeknuddelt, in Säckchen gesteckt und uns dann – rumpel, rumpel – zugeworfen."Mittel zum Leben. Wäre doch schön, wenn das Wissen um die Herkunft und Mühen der Erzeugung wieder mehr verbreitet würde."Andreas Kathe Ich weiß es besser, denn wir hatten damals – Großmütter und Mutter – natürlich eigene Kartoffeln in den Gärten. Sowie man auch Erbsen sprießen ließ, Erdbeerpflanzen in die Erde setzte und Mohrrüben selber zog. Leider oft zur Freude der Würmer und Krabbeltiere, die offensichtlich einen ähnlichen Geschmacksinn wie wir Minilandwirte hatten. Ach ja, Minilandwirte. Ich erinnere, damals nach der allgemeinen Kartoffelernte im Herbst den Auftrag erhalten zu haben, bei einem Bauern, der auf seinem Hektar Land die Erdfrüchte angebaut hatte, den Wintervorrat für die Familie zu holen. Einkaufen beim Erzeuger. Ob der nur davon existieren konnte? Ich wage es zu bezweifeln. Nun leben wir ja hier immer noch gewissermaßen „auf dem Lande“, auch wenn der Bezug zur eigentlichen landwirtschaftlichen – und gärtnerischen – Produktion immer mehr verloren geht. Schade. Denn wir sprechen von Lebensmitteln. Wenn wir das Wort umdrehen, wird es noch deutlicher: Mittel zum Leben. Wäre doch schön, wenn das Wissen um die Herkunft und Mühen der Erzeugung wieder mehr verbreitet würde. Vom Anschauen im Museum oder dem Konsum alter Schwarz-Weiß-Filme mit Lanz-Traktoren auf dem Ein-Hektar-Kartoffelacker wird man ja leider nicht satt. Immerhin vergeht mit diesen meditativen Gedankengängen beim Schälen die Zeit wie im Fluge. „Na“, meldet sich die Ehefrau, „du bist ja schnell fertig. Hast du beim Schälen nicht auch ein Quantum Trost gefunden?“ Ich präsentiere mein natürlich perfekt einstudiertes James-Bond-Lächeln. Sie schmilzt dahin…Zur PersonDer Journalist Andreas Kathe lebt in Dinklage.Lange Jahre war er Redakteur und Redaktionsleiter der OV.Den Autor erreichen Sie unter: redaktion@om-medien.de.

„Holst Du die Kartoffeln?“ Die beste Ehefrau von allen fragt so lieblich, dass ich dahinschmelze. „Natürlich, ich schäle sie sogar!“ Wieder ein Punkt für mich und ich gestehe, dass das Kartoffelschälen zwar nicht zu meinen Kernkompetenzen gehört, ich im Laufe der Jahre aber gelernt habe, beim Schälprozess den Abfall zu minimieren.

Und: Die Tätigkeit hat durchaus einen meditativen Charakter. Während sich die Schalen quasi automatisch im Wertstoffbehälter anhäuften, schwenken die Gedanken zurück in die Frühzeiten des Kartoffelanbaus. Zumindest in meine Frühzeiten, auf die ich wieder stieß, als ich im Lohner Industriemuseum die aktuelle Ausstellung über die 50er und 60 Jahre besuchte.

Heute kaufen wir ja zumeist die Erdfrüchte im Supermarkt oder holen sie aus irgendeinem Kartoffelcontainer, in dem es nach dem Einwurf einiger Münzen gruselig rumpelt und der dann aus seinem Metallmaul ein Netz mit den begehrten Knollen ausspuckt. Wer nicht weiß, wie diese Erdäpfel heranwachsen, könnte den Eindruck bekommen, sie werden von fröhlichen osteuropäischen Helferinnen im Containerinneren aus einem essbaren Material zusammengeknuddelt, in Säckchen gesteckt und uns dann – rumpel, rumpel – zugeworfen.

Ich weiß es besser, denn wir hatten damals – Großmütter und Mutter – natürlich eigene Kartoffeln in den Gärten. Sowie man auch Erbsen sprießen ließ, Erdbeerpflanzen in die Erde setzte und Mohrrüben selber zog. Leider oft zur Freude der Würmer und Krabbeltiere, die offensichtlich einen ähnlichen Geschmacksinn wie wir Minilandwirte hatten.

Ach ja, Minilandwirte. Ich erinnere, damals nach der allgemeinen Kartoffelernte im Herbst den Auftrag erhalten zu haben, bei einem Bauern, der auf seinem Hektar Land die Erdfrüchte angebaut hatte, den Wintervorrat für die Familie zu holen. Einkaufen beim Erzeuger. Ob der nur davon existieren konnte? Ich wage es zu bezweifeln.

Nun leben wir ja hier immer noch gewissermaßen „auf dem Lande“, auch wenn der Bezug zur eigentlichen landwirtschaftlichen – und gärtnerischen – Produktion immer mehr verloren geht. Schade. Denn wir sprechen von Lebensmitteln. Wenn wir das Wort umdrehen, wird es noch deutlicher: Mittel zum Leben. Wäre doch schön, wenn das Wissen um die Herkunft und Mühen der Erzeugung wieder mehr verbreitet würde. Vom Anschauen im Museum oder dem Konsum alter Schwarz-Weiß-Filme mit Lanz-Traktoren auf dem Ein-Hektar-Kartoffelacker wird man ja leider nicht satt.

Immerhin vergeht mit diesen meditativen Gedankengängen beim Schälen die Zeit wie im Fluge. „Na“, meldet sich die Ehefrau, „du bist ja schnell fertig. Hast du beim Schälen nicht auch ein Quantum Trost gefunden?“ Ich präsentiere mein natürlich perfekt einstudiertes James-Bond-Lächeln. Sie schmilzt dahin…